Der smarte Biohacker

First of all: Mein Verhältnis zu Dave Asprey ist- ich drücke es mal nett aus – gespalten. Ich habe einige seiner Bücher gelesen, mein Fazit ist immer wieder das gleiche, so auch diesmal: es ist einerseits inspirierend und lädt dazu ein, mehr in diese Richtung zu recherchieren. Aber es fehlt auch einfach in weiten Teilen eine wissenschaftliche Grundlage!

So ist es auch diesmal wieder. Doch lasst uns am Anfang anfangen. Dave Asprey ist so etwas wie der Vater des Biohackings. Biohacking bedeutet einfach, dass man Abkürzungen findet, um seinen Körper leistungsfähiger zu machen. Das kann auf mehreren Ebenen und Dimensionen erfolgen. Mehr Kraft im Sport, mehr Ausdauer, mehr Energie im Alltag, bessere Konzentration, höhere Lerngeschwindigkeit etc.

Ich bin grundsätzlich total fasziniert von der Vorstellung, Systeme zu hacken. Das ist etwas, was sich durch mein ganzes Leben zieht. Ich zweckentfremde einfach gerne Dinge, damit ich schnellere Ergebnisse bekomme. Man könnte auch sagen, ich bin außerordentlich offen für kreative Lösungen. Das ist es, was ich bei Dave Asprey auch sehr interessant finde. Ich finde, er ist eine inspirierende Persönlichkeit, insbesondere als Geschäftsmann. Aber man darf nicht den Fehler machen, alles ungefiltert zu glauben. Man sollte skeptisch bleiben.

So schreibt Asprey zum Beispiel in diesem Buch, dass Fleisch Fisch vorzuziehen sei, da Fisch zwar Omega 3 Fettsäuren enthalte und diese – wie er einräumt – auch durchaus wichtig wären, aber dafür sei Fisch eben auch mit Mikroplastik und Schwermetallen sowie Quecksilber belastet. Das ist alles erstmal richtig. Weiter schreibt er dann aber, dass Omega 3 Fettsäuren auch in Walnüssen, Leinsamen oder Butter enthalten sei. Hier wird es schwierig, verkennt er in seiner Argumentation doch vollkommen, zwischen ALA, EPA und DHA zu unterscheiden. Menschen sind – im Gegensatz zu Nagetieren – extrem schlecht darin, EPA und DHA zu erzeugen. Sie sind daher auf die Zufuhr von aquatischen Omega 3 Fettsäuren angewiesen. Diese müssen btw. nicht zwingend aus Fisch stammen, man kann sie als Veganer oder Vegetarier auch wunderbar aus Algenöl gewinnen. Dass das total gut funktioniert weiß ich, weil ich es selbst seit Jahren so mache und meine Bluttests einen Omega 3 Index von über 9% ergeben, was außerordentlich hoch ist. Auf Omega 3 aus aquatischen Quellen zu verzichten ist, im Hinblick auf die zahlreichen Vorteile der Omega 3 Fettsäuren, vermutlich das Dümmste, was man machen kann. Und es ist schlicht nicht möglich, EPA und DHA aus Butter zu gewinnen.

Hier zeichnet sich ab, dass Dave Asprey grundsätzlich ein Problem mit vegan lebenden Menschen zu haben scheint. Auch mein Verhältnis zum Veganismus ist etwas differenzierter geworden, als früher. Ich glaube nicht, dass man als Veganer ohne Supplementierung wirklich alle Nährstoffe bekommen kann. Omega 3 ist das beste Beispiel. Aber es lässt sich eben auch sehr easy aus Algenöl supplementieren. (Wobei das jetzt eine Grundsatzdiskussion ist, ob Algenöl ein Supplement ist. Schließlich ist Olivenöl ja auch kein Supplement… aber das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen). Neben Omega 3 gibt es aber auch noch zahlreiche andere Nährstoffe, die in der veganen Ernährung als kritisch angesehen werden können.

Trotzdem scheint das Veganer Bashing bei Asprey mehr eine Glaubensfrage zu sein. Er zeigt ja gar keine Wege auf, wie man als Veganer durch geschickte Supplementierung seine Nährstoffdepots auffüllen kann, obwohl das für ihn als Geschäftsmann ja eigentlich ein gefundenes Fressen sein müsste. 

In dieses Bild fügt sich zum Beispiel auch sein Bashing von Soja. Genau so kritisiert er Süßstoffe und stellt Behauptungen über Süßstoffe auf, die niemals in ernstzunehmenden Studien nachgewiesen werden konnten. Die Kritik an Süßstoffen ist spannenderweise auch eine der Behauptungen in seinem Buch, die nicht – wie so viele andere Behauptungen – mit einer Fußnote zum Nachlesen der Quelle untermauert sind. Was ein Zufall. 

Ich empfehle an der Stelle das Buch „Der süße Tod“ von , erschienen bei Riva. Dort erklärt der Autor, wie die Zuckerlobby es über Jahrzehnte geschafft hat Süßstoffe in Misskredit zu bringen, um von den erwiesenen Gefahren von Zucker abzulenken. Viele dieser Mythen über Süßstoffe stammen aus der damals verbreiteten Missinformation und wurden einfach ungeprüft übernommen.

Der Grundgedanke des Buches gefällt mir aber überaus gut. So schreibt Asprey, dass Anpassung am stärksten geschieht, wenn wir intensiven Belastungen ausgesetzt sind und schnell wieder auf unser Basisniveau zurückkommen. Das Problem ist, dass die meisten normalen Menschen ständig unter Belastung stehen. Ich merke bei mir selbst seit Jahren, dass ich in nahezu allen Tätigkeiten viel schneller besser werde, wenn ich weniger mache und dafür mehr Zeit in Regeneration investiere. Statt 3 Stunden in der Woche zu joggen, verbessert sich die Herzfrequenz und VO2max viel besser, wenn man stattdessen 3 kurze High Intensity Intervalltrainings macht. Genau so bringt es viel mehr, einen Muskel mit einem Gewicht zu trainieren, das nach 10-12 Wiederholungen in die Nähe des Muskelversagens führt, statt mit einem leichteren Gewicht dieselbe Übung über Stunden durchzuführen. Das beschreibt das Kernprinzip von Aspreys Buch sehr gut. Wir müssen unseren Körper kurzen, intensiven Stressperioden aussetzen und ihm anschließend signalisieren, dass er sehr rasch wieder zum Ausgangsniveau zurückkehren kann, so dass wir uns nicht überarbeiten bzw. ins Übertraining geraten. Alleine für diesen Denkanstoß lohnt es sich schon, das Buch zu lesen.

Trotzdem würde ich jedem empfehlen, das Buch nicht nur mit Faszination, sondern auch mit einer Portion Skepsis zu lesen. Denn wie anfangs ausführlich dargelegt, fehlt es für manche Behauptungen einfach an Basis. 


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