Buchrezension: Mitternacht in Tschernobyl

Ich habe das Buch „Mitternacht in Tschernobyl“ von Adam Higginbotham (Übersetzt von: Irmengard Gabler) vom Fischerverlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen. Vielen Dank dafür.

Die Katastrophe von Tschernobyl im Jahre 1986 wurde uns als einer der verheerendsten nuklearen Unfälle in der Geschichte der Menschheit ins Gedächtnis gebrannt. Es gibt unzählige Dokumentationen, Filme, Serien und doch wusste ich irgendwie erschreckend wenig darüber. Auf das Buch von Adam Higginbotham bin ich zuerst über Rainer Zittelmanns Buch „Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“ aufmerksam geworden, in dem er mit der sowjetischen Planwirtschaft hart ins Gericht geht.

Ich bin neugierig geworden und wollte mehr darüber erfahren. „Mitternacht in Tschernobyl“ hat mich nicht enttäuscht.

Sehr umfangreiches Werk

Higginbotham hat hier ein sehr umfangreiches Werk geschaffen, das auf zahllosen Stunden intensiver und akribischer Recherche beruht. Er nutzte hierbei eine Vielzahl an Quellen wie Interviews, Regierungsdokumente und Archive. Dabei nimmt er die Leser:innen mit in das System der UdSSR, das zu großen Teilen für die Katastrophe verantwortlich ist.

Tschernobyl entstand als Vorzeigestadt

Die Stadt Tschernobyl, die um das neue W.I. Lenin-Atomkraftwerk herumgebaut wurde, sollte zum Aushängeschild der sowjetischen Wirtschaft werden. Die Menschen, die häufig aus Großstädten wie Kiew oder Odessa stammten, erwartete hier eine naturnahe Idylle, mit neuen Häusern, einer Kinderbetreuung, Freizeitangeboten, darunter auch ein Schwimmbecken mit olympischen Ausmaßen, wie es eigentlich nur sowjetische Großstädte mit mehr als einer Millionen Einwohnern bekommen hatten und unzähligen Blumen, die die Stadtplaner gepflanzt hatten.

Die Regierung stellte sich vor, dass das neue große Kernkraftwerk das Vorbild für viele weitere Aromstädte dienen könnte, in denen die Menschen leben und arbeiten würden. Doch bereits beim Bau zeichneten sich massive Probleme ab, die primär dem sowjetischen System geschuldet waren.

Aufgrund der strengen Deadlines konnten wichtige Sicherheitstests nicht durchgeführt werden und die Planwirtschaft erschwerte es an Baumaterialien zu kommen. Einige Materialien, die man für den sicheren Bau gebraucht hätte, gab es in der Sowjetunion gar nicht. So wurde um Beispiel aus Ermangelung an feuerfestem Material für die Abdeckung auf leicht brennbares Material zurückgegriffen.

Um den Termin der Fertigstellung fristgerecht einzuhalten, wurden also immer wieder Abstriche in der Sicherheit gemacht.

Es ist kein Wunder, dass es in Tschernobyl zu einem Unfall kam

Viel mehr wundert es mich bei der Lektüre des Buches, dass es nicht noch zu weit mehr Katastrophen gekommen ist.

Insgesamt hat Adam Higginbotham hier ein Werk geschaffen, das umfänglich und kurzweilig zugleich ist. Für die über 600 Seiten muss man natürlich etwas Zeit mitbringen. Ich habe rund 12-14 Stunden daran gelesen. Dennoch lohnt es sich, wenn man das Interesse hat. Man lernt eine ganze Menge, muss aber auch starke Nerven haben!


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert