Im Frühjahr 2015 habe ich das erste Mal von Elon Musk gehört. Ein Freund erzählte mir, bei einem unserer gemeinsamen Treffen zum Austausch über kürzlich gelesene Bücher, begeistert von der Elon Musk Biografie, die er gelesen hatte. Damals hatte ich keine Ahnung, wer dieser Typ ist. Ich habe dann einfach souverän vorgetäuscht, dass ich genau wüsste, wovon er spricht und zu Hause dann meine Recherchen angestellt. Der hatte also Paypal gegründet okay, irgendein Weltraum Ding und irgendwas mit Autos, gut wen interessiert’s? Das war mir alles ein bisschen zu Sci-Fi-mäßig, damals.
Ein Jahr später setzen sich in meinem mentalen Puzzle neue Teile zusammen. Ein anderer Freund erzählte mir begeistert von Tesla. So richtig konnte ich die Begeisterung nicht teilen. Tesla, das war doch der Konkurrent von Thomas Edison, oder? Irgendwo in Serbien oder Kroatien oder so ist ein Flughafen nach ihm benannt? War der nicht auch irgendwie ein verkanten Genie und ziemlich verrückt? Ich erinnerte mich flüchtig an das Verschwörungstheorien-Hörspiel „Offenbarung 23“, wo es auch eine Folge über Nikolai Tesla gab. Offensichtlich war es einfach auf diese Underdog Art cool, wenn man Tesla mochte. Und dieser Elon Musk hat offensichtlich ein Auto erfunden, das jetzt Tesla heißt, weil es was mit Strom zu tun hat. Wie originell.
So dümpelte ich ein paar Jahre dahin. Bis ich 2019 vom Tesla Virus infiziert wurde. Etwas spät für den early Adopter, der ich normalerweise bin. Doch immer noch früh verglichen mit der Normalbevölkerung. Meine Freundin und ich schauten damals an einem Wochenende gefühlt jedes Youtube Video über das neue Model 3 und besuchten den Tesla Store in Nürnberg. Ich war angefixt. Aber irgendwie passte der Tesla auch nicht zu mir. Was soll ich mit einem Auto, wenn ich 50x im Jahr im Flugzeug sitze, die Wintermonate in Südostasien verbringe und am liebsten in großen Städten mit hervorragend ausgebautem ÖPNV lebe? Dann kam Corona und der Tesla wurde wieder interessanter, aber bei den ganzen Beschränkungen macht es doch auch keinen Spaß. Niemand braucht ein Auto für 50.000 Euro mit 300 PS, um damit nur zum Einkaufen und zurückzufahren, weil selbst die Lieblingspizzeria geschlossen hat. Wenn, dann möchte man damit ja geile Roadtrips machen. Ein paar Monate Italien oder so, das wäre nice… und wie bei allen unüberlegten und unvernünftigen Entscheidungen, habe ich es dann einfach gemacht und mich 2021 für ein Model 3 SR+ entschieden.
Höchste Zeit mein Wissen über Tesla, das bisher nur aus zahlreichen Youtube Videos von irgendwelchen Fanboys und Fangirls bestand aufzufrischen. Gerne auch mit ein paar kritischen Stimmen. Und ehrlich gesagt, nach der Lektüre von „Der Ludicrous-Modus“ von Edward Niedermeyer wünschte ich, ich hätte es nicht getan.
Nicht, weil das Buch schlecht war. Nein, ganz im Gegenteil. Aber wenn man einmal aus dem Paradies raus ist, kann man eben nicht mehr zurück.
Nachdem ich jetzt so viele Monate im Tesla Fanboy Himmel gechillt habe, tausend Argumente dafür parat hatte, dass der Autopilot Leben rettet (nicht zuletzt nach der Lektüre von Noise von Daniel Kahnemann, wo ich gelernt habe, dass künstliche Intelligenz tatsächlich deutlich bessere Entscheidungen trifft als es Menschen tun) war ich doch etwas überrascht, dass der Autopilot wohl doch nicht so gut ist.
Edward Niedermeyer hat auf jeden Fall sehr viel recherchiert. Er wirkt sehr ehrlich und objektiv (sofern man das überhaupt sein kann). Er zeigt die Fehler und Versäumnisse von Tesla auf und bietet damit ein interessantes Gegengewicht zu den Mainstream Meldungen.
Was mich sehr überrascht hat waren zum einen die Fehler des Autopiloten. Es ist richtig, dass die Entscheidungen, die der Autopilot trifft häufig richtig sind. Insbesondere wenn man die Unfälle, an denen der Autopilot beteiligt ist mit jenen in Verbindung setzt, wo keine künstliche Intelligenz im Straßenverkehr eingesetzt wird. Doch hierbei muss man bedenken, dass zum einen eine sehr kleine Anzahl an Autos mit künstlicher Intelligenz mit der überwiegenden Anzahl der Autos verglichen wird, die eben nicht mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind. Gleichzeitig ist es wichtig zu erwähnen, dass es sich bei Teslas um sehr neue und sehr teure Autos handelt. Allein das senkt das Unfallrisiko schon gegenüber tausenden anderen Autos, die alt sind und die viel häufiger von Fahranfängern gefahren werden, als es bei einem so teuren und neuen Auto in der Regel der Fall ist.
Viel interessanter als die blanken Fakten fand ich aber tatsächlich die Außenkommunikation von Tesla zu diesem Thema. Ich persönlich habe den Autopiloten natürlich immer durch die Fanboy gefärbte Brille gesehen. Bevor ich selbst Tesla fuhr, war die Technik für mich der Heilige Gral. Jetzt mit etwas Fahrerfahrung denke ich, dass der Autopilot gar nicht um Lichtjahre besser ist als die künstliche Intelligenz, die bei Porsche oder Audi verbaut ist. Sicherlich gibt es hier einen technischen Vorsprung, er scheint aber gar nicht so groß zu sein, wie man es von Tesla kommuniziert wird. Und genau das ist das Interessante.
Niedermeyer zeigt richtig auf, dass Elon Musk eben kein Ingenieur ist. Er ist kein Autobauer, er ist einfach ein sehr guter Unternehmer und hat ein Händchen für PR. Er verkauft den Stuff einfach gut und macht große, vollmundige Versprechungen, die er am Ende kaum halten kann.
So hat er zum Beispiel angekündigt alle Supercharger würden durch Solarzellen betrieben werden, das ist bis heute nicht der Fall und es ist sehr unwahrscheinlich, dass es jemals dazu kommen wird. Er hat von Akkutausch an den Superchargern gesprochen, was auch nie umgesetzt wurde. Und er attackiert auf Twitter regelmäßig User, die ihn oder sein Unternehmen öffentlich kritisieren.
Damit gleicht er in seiner Twitterstrategie sogar ein bisschen Donald Trump nur mit dem Unterschied, dass wir über Trump den Kopf schütteln und seine Impulsivität für peinlich halten. Elon Musk hingegen ist authentisch.
Das fand ich wirklich interessant. Elon Musk wird auf Social Media gerne als der große Unternehmer dargestellt. Nicht nur von ihm selbst, nicht nur von Tesla Fanboys und Fangirls, sondern vor allem von diesen unzähligen Instagram Accounts, die es sich zur Agenda gemacht haben anderen Leuten etwas über Unternehmertum und Persönlichkeitsentwicklung zu erzählen. Wir alle kennen diese Profile, die Sprüche und Zitate posten, die irgendwelche Ausschnitte aus Reden posten und erfolgreiche Gründer auf ein Podest stellen, zu Ikonen hochstilisieren und Auszüge aus Interviews zu Lebensweisenheiten für alle umformulieren. Instagram ist voll mit Seiten, die nur darüber erzählen, was für ein Übermensch Elon Musk ist. Wie viel er arbeitet und dass dieser Mann sein Ego getötet hat, wie man es sonst nur Ryan Holiday nachsagt. Doch die Wahrheit ist eine andere und das hat Elon Musk für mich nach der Lektüre von Edward Niedermeyers Buch sogar sympathischer gemacht.
Die Wahrheit ist: Elon Musk hat ein großes Ego. Er kann nicht gut mit Kritik umgehen. Er nimmt es persönlich, wenn George Clooney auf Twitter seinen Tesla kritisiert, er muss andere niedermachen, die etwas gegen seine Unternehmen sagen. Er steht nicht darüber. Er ist kein Wolf, den es nicht interessiert, was die Schafe über ihn sagen. Nein, er ist genau so kindisch, menschlich und egogesteuert wie wir alle. Er nimmt den Mund zu voll, macht große Versprechungen, kann sie nicht halten und vertuscht es nachher, indem er das totschweigt, was er nicht umsetzen konnte und stattdessen mit viel Energie das in den Vordergrund stellt, was geklappt hat.
Was mir ebenfalls vor der Lektüre dieses Buches nicht klar war ist, wie lange es Tesla schon gibt und wie häufig das Unternehmen auf der Kippe stand. Wie viel schief gegangen ist.
Wir sehen immer nur das Endresultat und denken uns: Man muss nur hart genug arbeiten, dann klappt es schon. Doch die Wahrheit ist, wir machen dabei einen entscheidenden Fehler. Oder besser gesagt zwei Fehler.
Das eine ist das so genannte Survivorship Bias, oder auch: die Überlebenden Verzerrung. Gemeint ist damit, dass wir immer nur sehen wer es geschafft hat. Wir sehen Elon Musk und schließen daraus: Harte Arbeit und unerbittlicher Glaube an seine Vision machen reich! Doch was wir nicht sehen ist, dass auf einen Elon Musk zahlreiche Unternehmer:innen kommen, die genau so hart gearbeitet haben und genauso an ihre Vision geglaubt haben, aber es nicht geschafft haben. Gleichzeitig machen wir aber auch den Rückschaufehler. Wir glauben es wäre uns ja von Anfang an klar gewesen, dass Tesla ein riesiger Erfolg wird. Doch so ist es nicht. Investoren haben lange an Tesla gezweifelt.
Heute ist es leicht zu sagen: hätte ich doch mal 2015 Tesla Aktien gekauft, es war doch so klar, dass dieses Unternehmen durch die Decke gehen wird. Nein, es war eben nicht klar. Jemand, der 2015 sein ganzes Geld in Tesla Aktien investiert hat, hätte genau so gut auch alle verlieren können.
Oder, um mit den Worten von Kurt Tucholsky (oder wahlweise auch Mark Twain, je nachdem wem man dieses Zitat zuschreiben möchte) zu sagen: „Vorhersagen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen“
Der Ludicrous Modus von Edward Niedermeyer ist vor allem ein Buch, das mir irgendwie Mut gemacht hat. Es ist ein Buch, das ich teilweise etwas zu technisch fand und den Faden verloren habe (was aber nicht heißen soll, dass es für alle anderen auch zu technisch ist). Es ist ein Buch, das mit ein differenzierteres Bild auf die Technik in meinem Tesla geliefert hat, vor allem aber ist es ein Buch, das mir Mut gemacht hat. Denn es zeigt den Unternehmer Elon Musk in einem anderen Bild, als man es sonst kennt. Es ist ein Buch das mir zeigt: schau dir an Elon Musk hat es geschafft, obwohl er nicht perfekt ist. Obwohl er ein großes Ego hat, obwohl er seine Versprechungen nicht halten konnte, obwohl er vergleichsweise wenig Ahnung von seinem Produkt hatte.
Ein Buch, das einen wunderschönen Ausgleich zu dem bietet, was man sonst auf Social Media über den Unternehmer und Menschen Elon Musk mitbekommen. Es motiviert mich, an mich selbst zu glauben, denn jeder kann es schaffen, auch wenn er auf Twitter kommuniziert wie Donald Trump und mit seinem Ego nicht durch die Tür passt.
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