Welche Rolle spielen unsere Gene beim Sport?

David Epstein ist den meisten wahrscheinlich bekannt als der Autor von „Es lebe der Generalist“. Anfang diesen Jahres durfte ich sein Buch hier auf dem Blog rezensieren: Buchrezension: Es lebe der Generalist. Ich habe mich daher sehr gefreut, dass mir der redline Verlag nun auch Epsteins anderes Buch „Die Siegergene“ für eine Rezension zu Verfügung gestellt hat.

Das Buch gibt einen sehr detaillierten und aufwändig recherchierten Überblick über die Rolle, die unsere Genetik in sportlichen Wettkämpfen spielt.

Epstein untersucht die Rolle von Talent, harter Arbeit und Glück beim Erfolg und zeigt, wie all diese Faktoren zusammenspielen.

🧬 Die Rolle unserer Gene

Epstein geht sehr stark auf die Rolle unserer Gene ein und ich habe viel neues gelernt. So erklärt er zum Beispiel, dass unter olympischen Athletinnen die Anzahl an so genannter XY Frauen besonders hoch ist. Das sind Menschen, deren äußeres Erscheinungsbild weiblich ist, die aber einen männlichen Chromosomensatz aufweisen. Durch einen genetischen Deffekt an den Androgenrezeptoren entwickelt sich der Embryo trotz männlicher Genetik nicht zu einem Kind mit männlichem Phänotyp. Da der Körper grob gesagt gegen den Einfluss von Testosteron immun ist. XY Frauen leben in den meisten Fällen als ganz normale Frauen und wissen nichts davon, dass sie auf genetischer Ebene eigentlich Männer sind. Obwohl sie nicht auf Testosteron „anspringen“ haben sie im Sport aufgrund ihrer männlichen Genetik aber durchaus Vorteile. So unterstützt eine schmalere Hüfte zum Beispiel in der Leichtathletik.

Das ist schon ein gravierender Unterschied, doch unsere Gene spielen noch in vielen anderen Bereichen eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Das soll nicht bedeuten, dass Weltklasse Athleten nicht sehr hart für ihre Ziele gearbeitet hätten, doch es zeigt, dass zwei Menschen gleich hart für ihre Ziele arbeiten können und dennoch zu vollkommen anderen Ergebnissen kommen.

Ist die 10.000 Stundenregel nutzlos?

Epstein geht auch auf die Arbeiten von Karl Anders Ericcson ein. Sein Buch „Top die Wissenschaft von den Besten“ zählt zu einem der spannendsten Bücher, die ich seit langem gelesen habe. Ericcson gilt als Vater der 10.000 Stunden-Regel, die durch Malcolm Gladwell in seinem Buch „Der Überflieger“ bekannt gemacht wurde. Gladwell interpretiert die Regel hier aber falsch und auch Epstein begeht diesen Fehler und behauptet, Ericcson hätte propagandiert, dass mit 10.000 Stunden Üben jeder zu einem Experten werden würde. Das ist allerdings nicht richtig. Ericcson selbst stellt das in seinem Buch richtig. Er sagt, dass seine Regel lediglich besagt, dass niemand in einer Disziplin (egal ob Sport, Musik etc.) zur Weltklasse gelangt, wenn er signifikant weniger geübt hat. Und dass es einen klaren Zusammenhang zwischen mehr Übung und besseren Ergebnissen gibt. Er hat allerdings nie behauptet, dass jeder, der ausreichend übt, zu Weltklasseergebnissen kommen wird.

Epstein argumentiert, dass es nicht nur darum geht, wie viel man trainiert, sondern auch darum, welche genetischen Veranlagungen man hat und wie die Umweltbedingungen sind, in denen man aufwächst und lernt.

Doch gewissermaßen tut Ericcson das auch, es wäre also falsch zu sagen, dass sich die beiden hier komplett widersprechen.

🥲 Fazit

Ich fand das Buch an einigen Stellen etwas ernüchternd. Insgesamt mag ich das Paradigma, dass wir einfach nur hart und vor allem mit den richtigen Strategien arbeiten bzw. trainieren müssen mehr, als mir vorzustellen, dass bestimmte Dinge einfach unveränderlich in unseren Genen festgeschrieben sind.

Vor kurzem habe ich übrigens meine DNA von Selfdecode (Affiliatelink) analysieren lassen und erfahren, dass ich keine Supergene habe, die mich zu einem Spitzensportler machen würden. Okay, wenn ich ehrlich bin, konnte ich mir das schon vorher denken.

Doch es ist wichtig diese neuen Informationen einzuordnen. Denn durch harte Arbeit und das richtige Training kann immer noch jeder von uns über sich hinauswachsen. Nur die meisten von uns werden es eben nie zu Olympia schaffen, da man dafür mehr benötigt als harte Arbeit und die richtigen Strategien.

Insgesamt ist „Die Siegergene“ aber ein sehr interessantes Buch, das mir mehr über Genetik beigebracht hat als der Bio Leistungskurs auf dem Gymnasium. Es regt zum Nachdenken an und liefert sehr viel Stoff für interessante Gespräche.

Ich würde grundsätzlich sagen, dass es sich auch super zum Verschenken eignet. Das gilt umso mehr, wenn der Beschenkte 1. ein Sportfan ist und 2. von der intelligenteren Sorte.

Denn ich denke, dass Menschen, die eher praktisch veranlagt sind.. mit anderen Worten: nicht die hellste Kerze auf der Torte, hier sehr schnell das Interesse verlieren werden. Das Buch ist wirklich sehr umfassend recherchiert. Ich finde das geil, ich kann aber durchaus verstehen, dass es jemandem schnell langweilig wird.


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