Meine Rezension von Eine kurze Geschichte der Menschheit von Yuval Noah Harari erschienen bei Pantheon. Mir wurde hierzu ein Buch als Rezensionsexemplar zugesandt.
Setzt man einen Menschen und einen Affen auf einer einsamen Insel aus – Wer wird länger überleben? Vermutlich der Affe. Man kann den Affen auch gegen ein anderes Tier tauschen. Gegen einen Hund, ein Kaninchen, eine Katze… Vermutlich werden all diese Tiere länger überleben, als der Mensch.
Was machen Menschen eigentlich gut?
In einem unbewaffneten Kampf zwischen einem Affen und einem Menschen, wird der Affe gewinnen. Gleiches wird wohl auch noch passieren, wenn drei Affen gegen drei Menschen antreten. Doch wie ist es mit 100 Affen gegen 100 Menschen?
Laut dem Historiker Yuval Noah Harari ist die Vorherrschaft des Menschen nicht darauf zurückzuführen, dass der Mensch so viel stärker ist als andere Tiere. Er kann nicht schneller laufen, besser schwimmen oder besser klettern. Aber er kann unheimlich effizient in großen Gruppen arbeiten und übertrifft damit jedes andere Tier.
Die Pyramiden von Gizeh, Olympia, Bundestagswahlen – das alles ist nur möglich, weil Menschen es schaffen in großen Gruppen miteinander zu arbeiten und die Aufgaben so zu verteilen, dass die Gruppe an einem übergeordneten Ziel arbeitet, obwohl sich nicht mal alle Gruppenmitglieder kennen.
Autos werden mit Teilen aus der ganzen Welt gebaut. Vielleicht stellt jemand in Südkorea einen Computerchip her, der dann in Mexiko in ein Fahrzeug eingesetzt wird. Diese Menschen werden sich niemals begegnen, sie wissen nicht, dass es einander gibt, doch sie kooperieren miteinander.
Das ist die eigentliche große Leistung der Menschheit und das hat vor allem mit unseren intellektuellen Gruppenbildungsfähigkeiten zu tun.
Mensch und Tier in der Kommunikation
Menschen sind nicht die einzigen Lebewesen, die miteinander kommunizieren. Eine Affenart namens Meerkatzen kann andere ihrer Art vor Löwen oder Adlern warnen. So fanden Wissenschaftler heraus, dass es verschiedene Schreie der Meerkatze gibt, die „Vorsichtig Löwe“ oder „Vorsicht Adler“ bedeuten. Spielt man einer anderen Meerkatze den Schrei „Vorsicht Adler“ vor, blickt sie nach oben.
Primaten sind auch in der Lage zu lügen und ihren Artgenossen falsche Informationen zuzurufen, damit diese von Früchten ablassen, die der lügende Primat anschließend für sich beanspruchen kann.
Doch der Mensch ist nach dem aktuellen Forschungsstand das einzige Lebewesen, das über abstrakte Konstrukte sprechen kann. Der Mensch kann über Möglichkeiten sprechen und über Dinge, die gar nicht da sind.
Das bezieht sich zum einen auf gemeinsames Pläne schmieden.
„Ich habe am Ufer des Flusses einen Löwen gesehen – was machen wir, wenn…“
Aber auch auf gemeinsam geteilte Wirklichkeiten, wie man sie in der Religion kennt. Konzepte von Himmel und Hölle aber auch all die anderen abstrakten Konzepte, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Das Geldsystem und das Regierungssystem funktionieren nur, weil Menschen sich darauf geeinigt haben, an die Existenz von Geld zu glauben.
Wenn ich nicht an den Wert eines 50 Euro Scheins glaube, ist er nur ein Stück Papier. Wenn morgen 80 Millionen Menschen in Deutschland kein Vertrauen mehr darin haben, dass sie mit Geld Dinge kaufen können, wird all unser Geld über Nacht wertlos.
Der Mensch als Ausrotter
Die hohen organisatorischen Fähigkeiten der Menschheit sehen wir auch, wenn wir uns das große Aussterben auf diesem Planeten ansehen. Schon lange bevor wir uns mit dem Menschen verschuldeten Klimawandel beschäftigten, war der Mensch für große Ausrottungswellen verantwortlich. So starben zum Beispiel große Teile der Tierwelt Australiens aus, als der Mensch dort hin gelangte. Und auch für andere Teile der Welt konnten Wissenschaftler nachweisen, dass die Ausrottungswelle immer mit der Ankunft von Menschen in diesem Bereich zusammenhängt.
Doch der Mensch rottete nicht nur andere Tiere aus. Es ist stark davon auszugehen, dass es der Homo Sapiens war, der verwandte Menschenarten wie den Neandertaler auf dem Gewissen hat.
Die Erfindung des Hamsterrades
Was ich sehr interessant fand, war der Umbruch von der Epoche der Jäger und Sammler hin zur Ackerbauerkultur. Harari beschreibt detailliert, dass die Arbeit auf dem Feld sogar mit größeren Entbehrungen und härterer Arbeit verbunden war, als die der Jäger und Sammler. Während die Jäger und Sammler durchschnittlich nur etwa 30 Stunden pro Woche damit verbrachten, für ihren Lebensunterhalt zu „arbeiten“, waren die ersten Bauern auf einmal von morgens bis abends beschäftigt. Die Arbeit auf dem Feld war besonders anstrengend und ging mit den ersten Zivilisationskrankheiten einher. Da der Bewegungsapparat des Menschen nicht für diese eintönige Dauerbelastung gemacht war. Der menschliche Körper sei viel mehr dazu gemacht, um täglich kilometerweit durch die Wälder und Steppen zu streifen, unterschiedliche Bewegungen auszuführen und sehr ausgeglichen die Muskelgruppen zu beanspruchen. Wer nun aber 12 Stunden am Tag den Acker pflügt oder ständig auf Knien arbeitet, bekommt schnell Gelenkprobleme.
Auch die Nährwerte konnten die Nahrungsumstellung nicht rechtfertigen. Durch die Agrarrevolution wurde die Ernährung des Menschen eintöniger und insgesamt schlechter.
Warum setzte sich die Landwirtschaft dann durch?
Trotz aller Probleme, die mit der Landwirtschaft einhergingen, hatten die frühen Menschen nun viel bessere Möglichkeiten, um ihre Nahrungsproduktion zu skalieren und so mehr Kinder zu bekommen. Getreide bot die Möglichkeit schneller mehr Kalorien aufzunehmen und so das Überleben der Kinder zu sichern. Auch, wenn dieses Überleben gleichzeitig eine schlechtere Nährstoffaufnahme und damit Unterernährung miteinschloss.
Bald hatten die Menschen dann so viele Kinder, dass sie von der Landwirtschaft gar nicht mehr wegkonnten, da sie mit Jagen und Sammeln schlicht nicht genügend Kalorien beschaffen konnten, um ihre Familien zu ernähren. Ihnen blieb also nur die Arbeit auf dem Feld. Die insgesamt anstrengender war und eine schlechtere Qualität an Nahrung hervorbrachte.
Jetzt befand sich der Mensch das erste Mal im Hamsterrad. Er hatte gar keine Möglichkeit mehr, wieder auf das Sammeln und Jagen zurückzugreifen, da er seine größer gewordenen Familien ernähren musste. Gleichzeitig benötigte er aber große Familien, da die Arbeiter auf dem Feld gebraucht wurden.
Fazit
Insgesamt ist „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ ein interessantes Buch, das zumindest für mich viel Neues beinhaltet hat. Vor allem wirft es hier und da einen interessanten neuen Blickwinkel auf die Geschichte.
Galen Strawson schreibt in The Guardian: „Much of Sapiens is extremely interesting, and it is often well expressed. As one reads on, however, the attractive features of the book are overwhelmed by carelessness, exaggeration and sensationalism“
Sapiens: A Brief History of Humankind by Yuval Noah Harari – review
Allerdings ist das ein Problem, das „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ eigentlich mit allen populärwissenschaftlichen Sachbüchern, die Bestsellerpotenzial haben, gemein hat. Bücher durchlaufen mehrere „Korrekturschleifen“, in denen sie für die große Masse kompatibel gemacht werden. Das geht fast immer zu Lasten der wissenschaftlichen Sorgfalt.
Man darf nicht den Fehler machen, dieses Buch mit einem wissenschaftlichen Paper oder einem Artikel in einer internationalen Fachzeitschrift zu vergleichen.
Ich empfehle das Buch daher Menschen, die interessiert sind und ihren Horizont erweitern möchten. Wer einen akademischen Hintergrund in Anthropologie oder Frühgeschichte hat, wird hier mit Sicherheit an einigen Stellen anderer Meinung sein und Kritik anbringen. Das liegt aber bei populärwissenschaftlichen Büchern in der Natur der Sache.
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